Da ist etwas in uns, das unsere Gefühle, unsere Entscheidungen und unsere Tagesform beeinflusst, ohne dass wir es merken. Es ist unser Unterbewusstsein. Wir wissen um seine Existenz und seine Bedeutung, aber was dahintersteckt, bleibt weitgehend ein Rätsel.
Das Unbewusste - Der unsichtbare Mitbewohner
Schauen wir uns daher einmal an, wie wir über das Unterbewusstsein sprechen, denn unsere Alltagssprache mit ihrer Weisheit gibt einige Hinweise.
Das Bewusstsein und Unterbewusstsein stellen wir uns vorwiegend in den Kategorien Oben/Unten, Außen/Innen und Da/Weg vor.
Oben/Unten: Einige Eindrücke und Erinnerungen sind tief unten vergraben oder sogar verschüttet. Manchmal kommen sie aus dem Unterbewusstsein hoch an die Oberfläche. Wenn wir sagen, dass wir im Spiel versunken sind, meinen wir einen bestimmten Bewusstseinszustand.
Außen/Innen: Wir haben eine innere Stimme und ein Bauchgefühl. Dinge liegen uns auf der Zunge, sind also schon fast draußen. Wichtige Dinge verinnerlichen wir. Wenn wir entspannt sind, kommen wir aus uns heraus.
Da/Weg: In Tagträumen und Blickstarren sind wir geistesabwesend und weggetreten, auch im Schlaf und in der Hypnose. Dann sind wir nicht ganz da, nicht bei uns. Wenn wir uns an etwas nicht erinnern können, haben wir es nicht präsent und nicht auf dem Schirm. Wollen wir uns hingegen nicht erinnern, bekommen wir einen blinden Fleck.
Darüber hinaus finden wir Metaphern wie die der Durchdringung, wenn wir nämlich in einem Rhythmus aufgehen und damit eins werden wie ein Pulver in einer Flüssigkeit. Auch die Vorstellung eines Kontrollprozederes kommt vor, denn wir lassen uns gehen und manches machen wir mechanisch oder automatisch und wir stellen auf Autopilot um, um mit schlafwandlerischer Sicherheit das Ziel zu erreichen.
Personifizierungen sind interessanterweise seltener und spiegeln eher ein antagonistisches Verhältnis wieder, wenn das Unterbewusstsein uns zum Beispiel einen Streich spielt oder wir es überlisten. Auch, wenn das Gewissen uns beißt. In der bekannten Zeichentrickserie „Die Simpsons“ wird das Unterbewusstsein häufig personifiziert, als Engelchen gegen Teufelchen oder als Symbol für eine negative Charaktereigenschaft oder das Gewissen. Es sind die Stimmen, die wir in uns tragen und die bestimmte Wesenszüge repräsentieren. Demnach ist ein Potenzial zur Personifizierung da, andernfalls wären die entsprechenden Szenen nicht verständlich und wir würden nicht darüber lachen.
Ein alternativer Rahmen
Versuchen wir daher hier eine alternative Betrachtungsweise, vielleicht erschließen sich uns dann ergänzende Aspekte, die von unseren üblichen Vorstellungen nicht erfasst werden. Personifizieren wir das Unterbewusstsein möglichst ohne Vorurteile, sagen wir: als Kobold, den wir kennenlernen wollen. Mit dieser Wahl gehen wir auf das Unberechenbare, das Emotionale, das kleine Starke und das Authentisch-Kindliche ein, das wir im Unterbewusstsein vermuten. So weit, so gut. Und wo genau treibt er sich herum?
Der Sprachgebrauch hat uns bereits verraten, dass es zwei Orte beziehungsweise zwei Bewusstseinszustände gibt: Hier oben, hier draußen, hier anwesend bin ich, das bewusste Ich, und dort unten, dort drinnen und hier abwesend ist der Kobold.
Der Wachzustand des bewussten Ichs ist unser Standard, unser Vergleichspunkt. Freud war dem Kobold begegnet, als er einen Patienten hypnotisierte, demnach gehört die Hypnose zu den abweichenden und veränderten Bewusstseinszuständen, die mit dem Unten-Innen-Abwesendsein korrespondieren.
Da das Unterbewusstsein auf unsere Träume einwirkt, gehört auch der Schlaf zu den Orten, an denen wir unseren Kobold finden können, allerdings haben wir im Schlaf nur wenig gestalterische Möglichkeiten. Wir können Träume deuten, aber das ist keine unmittelbare Begegnung.
Anders ist es in der Trance, in der das Bewusstsein zwar eingeschränkt, aber fokussiert da ist. Das kennt wohl jeder: Beim Lesen (oder Schreiben) eines spannenden Buchs ist man einerseits voll konzentriert, weil man wissen will, wie es weitergeht, andererseits ist man versunken, absorbiert und verliert das Zeitgefühl. Das ist eine Trance. Ein Kontrollverlust, der mit einer Entspannung und oft einer Energiesteigerung einhergeht.
Bühne frei!
Trancen werden heutzutage ernsthaft erforscht. Das Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften etwa untersucht schamanische Trancen und beschreibt den entsprechenden Bewusstseinszustand unter anderem als „Entkopplung von der äußeren Wahrnehmung“.
Typische Trancen des Alltags sind neben Lese- und Schreibtrancen Tanzsituationen, wenn man ähnlich wie der Schamane im Rhythmus aufgeht. Auch Meditationen wie Spaziergänge, Marathonläufe, Sex, Bügeln oder Aufräumen. Und schöpferische Tätigkeiten wie Malen, Komponieren oder Landart. Trancen entstehen auch bei Drogenkonsum sowie bei Fernseh- oder Computerspielsucht, sie sind also nicht immer positiv. Allen Beispielen gemein ist, dass ein Kontrollverlust eingeleitet (induziert) wird und man abschließend wieder ins Standardbewusstsein wechselt und aufwacht.
Insgesamt scheinen es vor allem regenerativ-medizinische sowie kreative Zusammenhänge zu sein, in denen der Kobold zu uns empor nach draußen kommt. Allerdings kommt er nur, wenn der kontrollierende Teil von uns die Bühne verlassen hat, wir uns also angreifbar und verwundbar machen. Das wollen wir aber nicht ohne Weiteres zulassen.
Seit Freud wissen wir, dass das bewusste Ich Angst‑, Scham- und Abwehrreaktionen zeigt, weil das Unterbewusste als die Sammelstelle unserer Wunden (Traumata) gilt und als Sitz unserer Begierden, unseres Gewissens und etwaiger verbotener Wünsche, also Tabus. Wir fürchten, die Büchse der Pandora zu öffnen, wenn wir einem unkontrollierbaren Kobold die Bühne überlassen.
Andererseits wissen wir, dass uns das Unterbewusste helfen, schützen, leiten und befähigen kann. Dieser Aspekt interessiert uns im Mentaltraining besonders. Deshalb wollen wir unseren Kobold nicht als einen Gegner sehen, auch wenn es bestimmt richtig ist, sich vorzusehen, wie es Meister Eder ja auch tut. Und der mag seinen Pumuckl.
Unterbewusstsein - Trancen sind Chancen
Ein Grundvertrauen in den Kobold ist die beste Voraussetzung dafür, um als Medium von einer Trance zu profitieren. Und es ist zudem die einzig nötige Anstrengung, denn der Rest ist wegen des Kontrollverlusts per Definition ein passiver Vorgang.
Viele Künstlerinnen und Künstler haben die Entstehung ihrer Werke mit einer Kraft erklärt, die durch sie hindurchgeht, während sie gar nicht das Gefühl hatten, aktiv zu sein. Auch von Sportlern und Predigern hört man es manchmal. Vielleicht liegt das daran, dass sie dem Kobold Raum für wichtige Impulse gegeben haben. Der Kobold verarbeitet nicht nur Geschehenes in unseren Träumen, er löst auch Probleme, vor denen wir Angst haben, und er vergisst nicht, denn er braucht keinen Speicherplatz für die aktuelle Situationskontrolle. Außerdem heuchelt er nicht so wie wir, die wir uns ständig etwas vormachen. Unser für das Bewusstsein zuständiger Gehirnteil nimmt diese Impulse auf und setzt sie zusammen, denn er ist ein Meister der blitzschnellen Vervollständigung. In dieser Art können wir mit dem Kobold kommunizieren, in einer Schwebe, in der das Bewusstsein weit genug präsent ist, um den Pinsel zu führen – beziehungsweise zu halten.
Eine gelungene Zeichnung oder eine gute Idee dürfen wir also auch dem Kobold zuschreiben. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion. Wenn wir nun sagen: „Kobold, du hast das ein Mal möglich gemacht, also kannst du es auch ein weiteres Mal!“, dann haben wir das Vertrauen gefunden, das wir brauchen, um uns bestmöglich zu entfalten.
Literaturquellen
- LAKOFF, G.; JOHNSON, M. [2003]: Metaphors we live by. Chicago & London: The University of Chicago Press.
- WIER, D.R. [2006]: Trance. From Magic to Technology. Laytonville, CA: Trance Research Foundation.
- HOFFMAN, K. [1996]: Das Arbeitsbuch zur Trance. Hugendubel.
Weblink
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften. Pressemeldung „Trance“ (08.07.2015) – Abgerufen am 28.03.2021